Joachim Gerber wirbt für den Schriftsteller, Arzt und sozial engagierten Intellektuellen Anton Pavlovič Čechov
Čechov wurde 1860 geboren. Alexander II. regierte. Es war eine Zeit der großen Hoffnungen und Illusionen der russischen Intellektuellen, denn unter diesem Zar fand die Bauernbefreiung statt. Im Zuge dieses Ereignisses gab es Reformen der Verwaltungsstruktur in Russland. Nicht zuletzt war es auch einer Zeit der industriellen Entwicklung in Russland. Als Čechov zu schreiben begann, wurde dieser Prozess – abgesehen von der industriellen Entwicklung – jäh gestoppt, denn mit dem Attentat auf den Zaren war es mit jeglichen Reformen im »Überbau« vorbei (während dies für die industrielle Entwicklung so nicht gilt).
In seinen Vorlesungen zur Geschichte der russischen Literatur schreibt der Anarchist Kropotkin, dass Čechov »als wahrer Dichter ... der Schilderer jenes Zusammenbruchs – jenes Bankrotts der ›Intellektuellen‹« wurde, »der wie ein Alp auf dem gebildeten Teil der russischen Gesellschaft lastete«. Aber er war, so Kropotkin weiter, »bei alledem ... keineswegs ein Pessimist im eigentlichen Sinne des Wortes«.
Die russischen 60iger Jahre, »die Zeit der Hoffnungen« (J. G.) wurden abgelöst durch den »russischen Herbst«, beginnend in den 80er Jahren. Joachim Gerber möchte den Erzähler Čechov im Kontext dieser Zeit betrachten. Dabei soll deutlich werden, dass Čechov nicht nur Schriftsteller war, sondern auch Arzt, sozial engagierter Intellektueller und hervorragender Briefschreiber. »Letztendlich ist es eine Werbung, Čechov zu lesen, denn der meinte es in seinen Erzählungen nicht nur gut, sondern konnte auch gut erzählen.«