Lesung mit dem Satiriker Jörg Schneider
Der Satiriker Jörg Schneider liest sich durch einen Querschnitt seiner Bücher. Ob es sich bei den vorgelesenen Texten und Buchauszügen allerdings tatsächlich um das »Geschmackvollste aus vielen Jahren exklusiver Weltsicht« handelt, wie es der Untertitel eines der Bücher verspricht, oder doch lediglich um das »Mühsamste aus zähen Dekaden unerbittlichen Witzigseinwollens, mag jeder vor Ort für sich entscheiden«, sagt Schneider selbst. Er verspricht aber auch »Erstaunliches aus Gießen» zu berichten.
Die Kritik reicht von »Einmalig – einmalig komisch« (Humanistischer Pressedienst), über »Brillant geschrieben und genial argumentiert« (Verlagspost), »bitterböse Satire vom Feinsten« (Giordano-Bruno-Stiftung), »gewohnt eins a« (Jürgen Roth) bis hin zu »Du Arschloch« (anonymer Zettel im Briefkasten des Autors).
Eine Kostprobe:
Machen wir uns nichts vor. Im Rahmen einer immer schonungsloser wütenden gesellschaftlichen Gesamtverwahrlosung hat auch die kulturelle Landschaft enorme Kollateralschäden zu beklagen.
Denn während sich immer mehr Menschen in einer Art von selbstauferlegtem Wissenszölibat für ein Leben in intellektueller Askese entschieden haben, ringsum die kapitalen Hochleistungshornochsen eines medial gepimpten Dorftrotteltums die Gesamtkontrolle übernommen haben, nur noch gebrüllt und längst nichts mehr gesagt wird, ein ebenso uninformiertes wie uniformiertes Nicht-zu-Ende-Denken nicht mehr als Makel hinterherhumpelt, sondern stolz grölend vornewegmarschiert … in Zeiten also, in denen geistige Evolutionsverweigerer und demagogische Brunnenvergifter wieder von Reichsparteitagen träumen, die US-Wähler einem grotesken narzisstischen Schwachkopf mit der staatstragenden Besonnenheit, politischen Weitsicht und dem unerschütterlichen Verantwortungsbewusstsein eines cholerischen Vierjährigen - kurzum: einem Mann, den man eigentlich nicht mal in einen Bus setzen sollte, ohne dem Fahrer vorher zu erklären, wo er denn aussteigen müsse — die Abschusscodes ihrer Atomwaffen anvertraut haben; die Zentraldenker eines bizarren Zwergengottesstaates im Herzen Roms auch im 21. Jahrhundert noch immer unbeirrt versuchen, ihren Leicht- bzw. Schwerstgläubigen aus einem intellektuellen Wachkoma heraus die Welt zu erklären; das Fernsehen Leute beim Scheitern ihrer Auswanderungspläne auf Mallorca filmt und einen jungen Mann als vermeintliches Supertalent präsentiert, der den exakten geografischen Umriss der Stadt Detmold ejakulieren kann ... in solchen Zeiten ist das Vorlesen gehaltvoller Prosa aber mal ganz gewaltig am Arsch.
Aber das muss ja nicht sein.
Jörg Schneider lebte über 30 Jahre in Gießen, schrieb u. a. für Titanic, die Harald Schmidt Show, Frankfurter Rundschau, taz, Eulenspiegel und ähnlich fragwürdige Formate. Der Autor, Puppenspieler und »Rockstar a. D.« ist unbekannt aus Funk und Fernsehen und seit vielen Jahren auf großen und kleinen Bühnen unterwegs.
Die Veranstaltung wird gefördert vom Kukturamt der Stadt Gießen.